Donnerstag, 28.03.2024 12:24 Uhr

Sicherheit sei nur als Sicherheit des Anderen möglich

Verantwortlicher Autor: Sergej Perelman Paderborn, 04.12.2022, 13:50 Uhr
Nachricht/Bericht: +++ Politik +++ Bericht 9046x gelesen
Schild eines Friedensaktivisten bei der Demo vor der US-Airbase in Ramstein, 25.06.2022

Paderborn [ENA] Eugen Drewermann stellt in der 7. WS-Vorlesung 22/23 zum Matthäus-Evangelium fest, dass die Welt von Angst regiert werde und die Strategie, durch mehr Waffen und Abschreckung Sicherheit zu schaffen, eine Paranoia sei. "Sicherheit gibt es nur als die Sicherheit des Anderen", dies sei erreichbar mit Sanftmut und dem Verzicht auf Waffen, um dem Anderen die Angst vor einem selber zu nehmen und so den Grund aufzurüsten.

Nachstehend werden Original-Zitate aus der 7. WS-Vorlesung 22/23 zum Matthäus-Evangelium vom 26. November 2022 auszugsweise veröffentlicht, um eine vertiefte Auseinandersetzung anzubahnen. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=tZFDgvtSJjs, ab ca. 1:00:00.

"[...] Wie wird man zum Sohn Gottes? Als Jesus einzieht in Jerusalem, setzt er sein eigenes Leben aufs Spiel. Richtig leben Menschen, die sanftmütig bleiben, die wehrlos bleiben, die sich weigern zur Waffe zu greifen, um Menschen totzuschlagen, die Frieden stiften, denn anders geht's nicht. Also kommt Jesus im Sinne des Propheten Sacharja, Kapitel 9: "Wenn so einer käme, würde er einreiten auf einem Esel, nicht auf einem Schlachtross. Und er würde als allererste Maßnahme: abrüsten, Kriegswagen verbrennen, Bogen zerbrechen, den gesamten Rüstungshaushalt kündigen, alle aufgehäuften Waffen verschrotten. Schluss damit! Und das wäre die Sicherheit aller. Keiner hätte mehr Grund, sich vor dem Anderen zu fürchten."

"Ja, aber dann kommt ja der Andere, dann wird er uns ja ausnutzen, ja dann kommt der Putin, dann kommen die Russen und erobern ganz Europa! - Nein! würden sie überhaupt nicht! Sie würden in Frieden leben und das wieder zu tun versuchen, was sie begonnen haben: Wie man Güter austauscht und miteinander friedlicher, freundlicher lebt! Wir könnten Gas beziehen, und wir könnten Industriegüter nach Russland schicken. Wäre das so schlimm?! Ja, dann würden wir abhängig! Nein, dann würden wir miteinander verbündete sein, verbundener bleiben. Man wird doch nicht abhängig, wenn man friedlich miteinader umgeht! Abhängig, das ist ein Wort, wenn man den Anderen fürchtet, sich terrorisiert fühlt und dann steht man beim Wer-zieht -wen-über-den-Tisch."

"Das ist nicht die Welt, die Jesus meint. Und drum zieht er ein in Jerusalem in Erfüllung der Worte des Propheten Sacharja. Dann müsste man das Wort hier übesetzen mit wehrlos. Richtig lebt ein Mensch, der in dieser Welt - der chronifizierten, paranoischen Angst aller vor aller, aller Staaten gegeneinader, der permanenten Kampf-, Kriegs- und Mordbereitschaft - es wagt, herauszutreten, indem er sich nicht länger verteidigt, nicht mit diesen Mitteln: Tötungsgeräte, wie stech ich den Anderen nieder, effizienter! Der ganze Hass, der darin liegt, die ganze Aggression, die darin gespeichert wird, die ganze Perversion unseres Menschseins, hörte endlich auf!"

"Die Vorgehensweise ist tatsächlich Sanftmut: Wie reden wir miteinader, dass es nicht gewalttätigt wird? Auch dafür habe ich kein besseres Bild als in der Psychotherapie. Man hört dem Anderen zu, indem man keine Vorschriften macht. 'Jetzt wird es aber Zeit, jetzt sollten Sie mal endlich! Wir diktieren jetzt!' [...] Wir haben kein Recht, Anderen vorzuschreiben, wie sie zu sein haben. Wir könnten aber in Sanftmut sie dahin begleiten, dass sie merken, was im menschlichen Umgang miteinander stimmt. Das muss die Gelegenheit haben, reifen zu dürfen. Das wird nicht aufgezwungenermaßen gelingen, nicht mit Machtansprüchen, nicht nach einem gewonnen Krieg in den Boden zu trampeln sein und dann in die Herzen der Unterworfenen."

"Hören wir von einem Mann, der im Sinne Jesu ein Gläubiger war - ein Hindu, 'Nein!', würde Gandhi sagen, 'Ich bin Hindu, Muslim, bin Christ!' Toleranz ist das Wesentliche! Sie besteht nicht darin, Wahrheiten zu vergleichgültigen, sondern die eigene Wahrheit so zu leben, dass sie für alle Geltung hat. Und schon wird man merken, dass Gott im Herzen aller Menschen dasselbe sagt. [...] Wer leidet an dieser Welt, leidet richtig! Und die finden ihren Trost in Gott. Ich kann das besser gar nicht sagen! Wenn sie einen solchen Trost bei Gott nicht finden, halten sie die Welt nicht aus! Sie werden wirklich daran so verrückt, wie sie schon ist."

"Es ist ja nicht die Frage, ob Sie jetzt Erfolg haben bei der nächsten Friedensdemo. Sie lassen sich trösten von Gott. Es gibt eine Wahrheit und sie liegt in jedem Menschen und an die glauben Sie. Die können reden in den Zeitungen, was sie wollen, politische Programme verkünden, was sie wollen, sie können rechthaberisch auftreten, wie sie wollen! - Es stimmt ja nicht! - Dann ist es schön in der Bergpredigt zu hören und bei Gandhi zu lesen. Er hat das geschrieben in 'Hari Jan', eine Zeitung damals, 'hari jan' ist der Ausdruck für die 'Lieblinge Gottes'. Damit nannte Gandhi, die in der Kaste der Schudras, der ganz Unteren, befindlichen, [...] die im Grunde nicht dazu gehören."

"In dieser Zeitung schreibt Gandhi so: 'Ein Mitglied der Friedensbringer muss einen lebendigen Glauben an die Gewaltlosigkeit haben. Ohne lebendigen Glauben an Gott, ist das unmöglich. Ein Anhäger der Gewaltlosigkeits-Idee lebt von der Macht und Gnade Gottes. Ohne Sie hätte er nicht den Mut, frei von Zorn, furchtlos und ohne Rachebedürfnis zu sterben. Sein Mut rührt von dem Glauben her, dass Gott in dem Herzen aller Menschen wohnt, und dass in der Gegenwart Gottes keine Furcht bestehen kann.' Sie können gewaltlos nur sein, wenn Sie im Vertrauen auf Gott jegliche Angst verlieren. Das ist die Bedingung. Und genauso ist es!"

"Solange Sie die Friedensbewegung noch gründen auf Angst, haben Sie gerade einen Augenblicksvorteil. Sie protestieren gegen Atomwaffen, gegen die Bedrohung: Der Ukraine-Krieg könnte zum Atomkrieg sich ausweiten. Das ist alles berechtigt, aber bleibt innerhalb desselben Bezirks des Irrenhauses, das wir als menschliche Geschichte bezeichnen. Wir müssten herauskommen aus der Angst, indem wir Sie überwinden durch Vertrauen. Das mein' ich jetzt ganz ernst. Sie halten diese Welt, betrachtet mit den Augen Jesu, nur aus - Sie werden nicht selber verrückt da dran, entmutigt, resigniert, hoffnungslos, wütend, hilflos -, indem aufblicken zu Gott. Das ist der Trost, der Ihnen wird, genau wie hier geschrieben, wenn Sie sich darauf einlassen."

"[...] Denn so ist es doch: Der Krieg der Großmächte ist der Terror der Starken und der Herrschenden und die Form des Terrors ist der Krieg der Ohnmächtigen und beides schaukelt sich immer wieder neu auf. […] Wie lernen wir damit aufzuhören, es sei denn durch Sanftmut. Wir sehen den Menschen in die Augen und wir wissen, wir können ihnen das nicht länger antun. Wir würden sonst aufhören, selber Menschen zu sein! Das ist das Geheimnis, warum es so weitergeht. Solange wir dulden, dass auf den Trainingsplätzen der Kasernenhöfe 16-Jährige, 18-Jährige, gendergerecht: Mädchen und Jungen, lernen, wie man effizient Menschen tötet, wird sich die Welt nie ändern! Dann ist ein Auftrag, ein Patriotismus, unsere Werte zu verteidigen."

"Wann könnte man sagen: Werte verteidigt man nicht, indem man sie verleugnet. Menschlichkeit - unser höchster Wert - wird nicht mit Unmenschlichkeit verteidigt! Er wird - jetzt wirklich Frau Baerbock: 'ruiniert!' - wir selber sorgen dafür! Wir verteidigen gar nichts mehr! Wir korrumpieren es, wir pervertieren es! Wir haben nur noch die Formel und verwandeln sie in eine Lüge! Wir können Menschlichkeit nur verteidigen durch Menschlichkeit."

"Und dann baruchen wir als sterbliche Menschen unendlich viel mehr. Ich zitiere gern die Rilke-Worte: 'Berge ruhn sternenüberprächtigt/Aber auch in ihnen zittert Zeit/Nur in meinem wilden Herzen nächtigt/ruhelos die Unvergänglichkeit'. Und dann kann man Traurigkeit auch übersetzen mit Melancholie. Mit dem Wissen, dass die endliche Welt unsere Sehnsucht nie endgültig befriedigen wird. Wir blicken auf zu Gott und wir spüren den Trost über diese Welt hinaus, in ein Unendliches zu gehen, in die Hände Gottes. Wir hören auf, den Tod zu fürchten, was Gandhi eben noch sagte. Wir verlieren alle Angst. Wir gehen leichten Fußes, sanftmütig, großzügig, voller Erbarmen über eine Welt, die sonst voller Angst, Aggression und Grauen sich selber widerlegt."

"Man muss Jesus umbringen. Er verwirrt nur, er bringt alles durcheinander. Und das ist, womit die sog. Seligpreisungen schließen. 'Selig seid ihr, wenn sie gegen euch alles Verleumderische sagen! Wenn sie euch jagen und hetzen, deswegen weil ihr euch Gott anvertraut und die Menschen als seine Geschöpfe, als Gebilde seiner Hand seht und ihnen so begegnet. Gebilde aus Staub, Vergängliche, Hilfsbedürftige, oft genug Am-Boden-liegende, aber Wunderbare, in denen Gottes Atem Leben bildet, in die Gottes Schöpferhände Schönheit prägen, in denen die Liebe wartet auf eine Antwort, die in ihrem eigenen Herzen nach einer Antwort sucht.' Dann wird man Sie Querdenker nennen, politisch unkorrekt, Saboteure, Putin-Versteher."

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